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Montag, 17. Juni 2019

Kurzgeschichte: Haste nen Platten, biste platt!


(c) für Text und Bild: Gudrun Anders

Das war mal wieder ein lehrreicher Vormittag. 

Komme aus dem Haus und fahre wie immer mit dem Auto (mein kleiner gelber Smart, genannt „fahrender Briefkasten“) aus meiner Parktasche, als ich mich ein wenig wundere, warum mein Auto – scheinbar von allein – in Richtung Kuhwiese abfährt und nicht – wie gewünscht – die Auffahrt nehmen möchte. Die Lenkung geht schwer und selbst ich als Frau weiß: Hier stimmt was nicht.

Ich steige also aus und schon sehe ich das Malheur: Der linke Vorderreifen ist komplett platt. Glück im Unglück kommt gerade der Mieter einer Garage die Auffahrt hochgefahren. Schnell hat der Allround-Handwerker den Kompressor angeschlossen und pumpt meinen Reifen wieder auf. Es dauert nur 2 Sekunden, dann ist der selbige wieder platt.


Ich bin also ohne Ersatzreifen – dafür ist im Smart kein Platz … – mitten in der Pampa und nur mit dem Handy bewaffnet, sollte eigentlich gleich auf einem Termin erscheinen und schon am frühen Morgen leicht gereizt.


Und was dann in den drauffolgenden 5 Stunden geschah, ich hab dabei wirklich viel gelernt, schreib ich mal lieber schnell in eine Tabelle … - das Buch wäre zu dick!

  • In drei Vertragswerkstätten sind keine Reifen vorrätig. Lieferzeit 4 – 5 Tage. (Busfahren – oh, das wird nicht nur lästig, sondern auch sehr zeitintensiv und vor allem auch sehr teuer. Alle Termine werde ich wohl nicht schaffen. …)
  • Vier von fünf männlichen Freunden erklären sich sofort bereit zu helfen, wenn Hilfe nötig ist. Der fünfte ist leider in Köln auf einem Geschäftsmeeting.
  • Eine Werkstatt macht sich wirklich mühe. Ich schicke Bilder von meinem platten Reifen hin. Die haben auch ein paar Reifen, aber leider nur Sommerreifen, während ich immer Allwetter habe. Die vorhandenen Sommerreifen sind allerdings so teuer, dass mir für mein 20 Jahre altes Töfftöff nichts anderes übrig bleibt, als dankend abzulehnen. Das Auto verstirbt nämlich, bevor auch nur ein Millimeter Profil von diesen Reifen runter ist. …
  •  In Deutschland darf man nicht mehr nur einen Reifen tauschen. Nein, es müssen alle beide ausgewechselt werden. Und das, obwohl die erst sieben Monate alt sind. Muss mich mal erkundigen, ob das Gesetz ist, Geschäftssinn oder einfach nur schlicht und ergreifend Nepp. Oder erzählen die mir das, weil ich ne Frau bin? …
  • Eine nahegelegene Tankstelle, die sich allezeit mit ihrem außergewöhnlichen Service rühmt, ist nicht in der Lage, mir einen Reifen zu besorgen und mir diesen zu bringen bzw. vor Ort zu montieren. „Da weiß ich jetzt gar nicht, wie ich Ihnen helfen soll, Lady.“ Sorry, Jungs, dass wäre für euch doch eigentlich ne einfache Sache gewesen. Zumindest würde ich das so behaupten, wenn ich Experte in einer Sache wäre. Ich werde leider künftig keinen Lady-Service mehr benötigen. …
  • Ein Reifenhändler mit Telefon-Hotline hat es nicht nötig, mich zurück zu rufen, obwohl mir die säuselnde Hotline-Stimme aus der Konserve erzählt, dass mein Anliegen umgehend bearbeitet wird, da man mich als Kunden sehr schätzt. Sechs Stunden später ist noch immer nichts passiert. Tja, liebe Auto-Reparaturfirma, die ihr so viel Fernsehwerbung macht … Dann fahre ich lieber in eine nicht so berühmte Werkstatt, die nicht so viel Werbung macht, werde aber prompt bedient. Zumindest bekomme ich woanders schon mal eine Auskunft, die vielleicht weiter hilft …

Etwas frustriert und genervt rufe ich dann eine kleine Werkstatt in der Nähe an. Ich war da vor Jahren mal, aber in so einer Männerwirtschaft wie dort, hatte ich mich ganz und gar nicht wohl gefühlt. Hemdsärmelig wurde ungeschönt die Wahrheit rausposaunt und nicht damit hinterm Berg gehalten, dass Frauen wohl doch besser am Herd bleiben sollten. Nun, in der Not frisst die Kuh auch dicke Bohnen und ich rief nach mehrmaligem Durchatmen dort an und schilderte meine vertrackte Situation.

„Na, da wären Sie doch besser gleich zu mir kommen“, meinte der leicht überhebliche Chef und überlegte nen Moment. Den benötigten Reifen hatte er auch nicht da und musste ihn für den übernächsten Tag bestellen. Aber er hatte Mitarbeiter. Und einen Transporter. Und der war zwei Stunden später mit Wagenheber und Werkzeug bei mir und montierte begleitet von guten Worten und Ermahnungen einen Leihreifen an meinem Auto. 

Das Wechseln des Reifens dauerte in Profihänden keine drei Minuten. Der Monteur erzählte mir noch schnell, dass der Chef sich melden würde, wann ich zum Austausch kommen könne und war auch schon wieder unterwegs zum nächsten Einsatz.

Tja, wie sagt eine Freundin von mir immer so schön in ihren Postings: Deutschland 2019. Kannste nich erfinden. Musste dabei gewesen sein ….

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