(c) Gudrun Anders
Die Welt – ein Spannungsfeld der Kreativität
Eigentlich gibt es in unserer Welt nichts Lebendiges, was
nicht kreativ ist. Kreativ im Sinne einer stetigen Veränderung oder Wandlung.
Die Menschen, Ihre Ansichten, Ihre Wünsche, Sehnsüchte – und natürlich auch
Ihre Ängste und Sorgen.
Ich habe vor einigen Jahren einmal mit einem Autor
gearbeitet, der damals wirklich gute Bücher geschrieben hatte. Er wollte zu
keinem großen Verlag gehen, der seine Bücher womöglich komplett verändert
hätte. Er wollte aber auch zu keinem kleinen Verlag, denn diese wollten einen
Zuschuss von ihm für die Hersteller der Bücher.
Als er mich Jahre später erneut ansprach, waren seine Bücher
noch immer nicht veröffentlicht, denn Selfpublisher wollte er auch nicht werden,
weil er sich selbst nicht vermarkten kann. So war ich, wie er sagte, seine
letzte Hoffnung. Er wollte, dass ich ihn vermarkte und einen bekannten Autor
aus ihm mache.
Bereits im Vorgespräch wurde mir nach nur wenigen Minuten
und einigen gezielten Fragen klar, das zwar seine Bücher ein großes Potential
hatten – aber er nicht. Oder: noch nicht. Er wollte, dass seine Bücher bekannt
werden – er selbst wollte sich aber weiter in seinem Schneckenhaus verkriechen.
Und er hatte ein Thema mit Geld, wie es vielen Künstlern zu eigen ist. Bloß
kein Geld nehmen für die eigenen Produkte. Oder wenn, dann nur wenig. So wenig,
das an einen Ausstieg aus Hartz IV für so manchen Künstler gar nicht zu denken
ist, obwohl viel gearbeitet und auch geleistet wird. Allein es fehlt an
Wertschätzung für die eigenen Sachen.
Natürlich gibt es auch die, die überkompensieren und dann
horrende Preise verlangen, die von einem Normalsterblichen nicht oder nur unter
drastischen Sparmaßnahmen akzeptiert werden können. Die haben auch ein Problem,
allerdings ist dieses etwas anders gelagert.
In einem Telefonat mit dem Autor habe ich gestern versucht
zu erklären, dass man sich als Selbständiger – egal ob Autor, Masseur, Berater
oder Dienstleister – eben nicht hinter einer Fassade verstecken darf, sondern
nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu den eigenen Produkten / Dienstleistungen
stehen sollte oder besser noch „muss“. Denn auch bei der Vermarktung von
Produkten schauen die Händler und Widerverkäufer auf den Hersteller: Je
bekannter ein Mensch oder eine Marke ist, desto größer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt gekauft und mit vertrieben wird.
Das vorläufige Ende unserer Gesprächs war, das mir
vorgeworfen wurde, eine geldgierige Unternehmerin zu sein, die für ihre
Dienstleistungen auch noch – welche Schande! – Geld verlangt und nicht
garantieren kann, dass der Auftragnehmer bzw. seine Bücher berühmt werden.
Mich hat es noch eine Weile beschäftigt, dann habe ich diese
Episode ad acta gelegt. Heute morgen bekam ich die andere Seite einer solchen
Situation gespiegelt. Beim Sport hatten wir eine Vertretung, weil unsere
Trainerin in Urlaub ist. Eine Frau Mitte dreißig mit ungeheurer Power und
Esprit, die mit jeder Faser ihrer Körpers ausdrückte, dass sie Spaß an Sport
und Ihrem Job hat. Lachend, motivierend, tanzend, mitreißend gestaltete sie uns
eine anstrengende, aber „saugute“ und lebendige Sportstunde. Lachende Gesichter
in der ganzen Runde, auch wenn so manches Wehwehchen der älteren Teilnehmer die
100% ige Teilnahme zunichtemachte. Wir
hatten Spaß, fühlten uns gut und wohl und hatten das Gefühl, wirklich etwas
Gutes für uns getan zu haben.
Nach der Stunde kam die Trainerin sich in unserer Umkleide
die Hände waschen. Drei Frauen fragten, wann und wo man bei Ihr Stunden oder
einen Kurs buchen könne, weitere fünf hörten gespannt und interessiert zu. Auch
ich gab ihr meine Karte, damit sie mich von Aktivitäten unterrichten konnte.
Das nenne ich aktives, gelebtes Marketing! Sie hat Spaß,
kommuniziert das, hat keine Angst Geld zu verdienen – und daher einen vollen
Terminkalender! Einen Kalender, in dem keine Muss-Termine stehen, sondern täglich
Spaß, Fitness und die Freude am Umgang mit anderen Menschen. Sie ist für mich
das Paradebeispiel von einem erfolgreichen Menschen. Erfolg, der sich AUCH an
Geld misst, aber nicht nur und schon gar nicht ausschließlich.
Der viel größere Faktor ist der authentische, positive
Umgang mit den eigenen Vorlieben und Fähigkeiten, die anderen Menschen dienlich
sind. Das ist für mich „wahres Leben“. Ein Leben in Freude und Harmonie, wo die
eigenen Stärken und Schwächen im Gleichgewicht sind. Wo keine Ausreden von „es
geht nicht“ mehr greifen, sondern das eigene Potential zum Wohle aller gelebt
wird. Ich hoffe, der Autor aus meinem obigen Beispiel bekommt irgendwann einmal
diese Kurve und lernt sein Leben zu genießen und sieht es nicht als Strafe an.
Ich wünsche es ihm sehr.