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Die Referentin riet u.a. in ihrem Vortrag, Bekannten und
Freunden von der Unternehmensidee zu erzählen und die Reaktionen der Befragten
für die weitere Entwicklung des Produktes, der Dienstleistung oder der
Verkaufsargumentation zu nutzen.
Beim „get together“ nach dem Vortrag kam ein junger Mann an
unseren Bistrotisch, an wir Berater gerade einen Snack zu uns nahmen, und
fragte mich sehr höflich und freundlich lächelnd, ob er mich etwas fragen könne.
„Sicher“, meinte ich noch kauend, „wenn ich weiteressen
darf?“, und grinste zurück.
Er grinste zurück und stammelte: „Ja, also, wir haben da ….
ähm …“. Er suchte nach Worten und ich konnte fast sehen, wie er in seinen Gehirnwindungen
eine passende Formulierung suchte. „Wir … äh – unser Produkt … nee … wie war das? … - Hätten Sie an einer Maus
Interesse?“
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Ich musste noch mehr grinsen, denn ich plagte mich gerade
mit einer Schar Mäusen, die durch noch nicht gefundene Öffnungen es sich in
meiner Küche bequem machen und meinem Hund das Trockenfutter weg aßen, der
diese nur müde gähnend begutachtete und dann weiter schlief – schließlich füllte
ich das Napf mit dem Trockenfutter ja beizeiten wieder auf.
Vor meinem inneren Auge
wurde gerade lebendig, wie ich dem eine weitere Maus hinzufügte. Fast verschluckte
ich mich an meinem Brötchen, so absurd kam mir das vor, denn die kleinen, frechen
Nager hielten mich oftmals auch in der Nacht wach, wenn sie durch die Holzwände
des Bauernhofs, auf dem ich wohne, liefen.
„Bestimmt nicht!“, brachte ich daher heraus und lachte laut
los, wobei ich fast die Inhalte meines Mundes quer über den Tisch gespuckt
hätte. „Davon hab ich genug!“
„Ja, aber die, die ich habe, ist ergonomisch geformt.“
Das Kino in meinem Kopf nahm jetzt leicht absurde Formen an.
„Und was an einer ergonomisch geformten Maus ist besser als an einer normalen
Maus?“
„Was?“, brachte er hervor und verstand offensichtlich gar
nichts, so durcheinander war er. Ich erzählte ihm dann von meinen Mäusen und
wir hatten sichtlich Spaß, der auch meine Tischnachbarn ansteckte.
Leicht dämmerte mir allerdings, dass wir ja auf einem
Gründerabend waren und der junge Mann vor mir möglicherweise die Computermäuse
meinte. Aber ich wollte das spaßige Spiel, das wir offensichtlich beide lustig
fanden, noch ein bisschen weiter spielen.
Er kratzte sich am Kopf, griemelte und wusste nicht mehr
weiter. Offensichtlich wollte er die Tipps der Referentin umsetzen und befragte
mich als Übungsobjekt, wie er sein Produkt besser an den Mann – bzw. in diesem
Fall an die Frau – bringen konnte.
Ich aß mein letztes Stück vom Lachsbrötchen auf, musterte
ihn unterdessen und beschloss ihm aus seiner Misere zu helfen.
„Junger Mann“, sagte ich verschmitzt grinsend, „schauen Sie
mal auf mein rechtes Handgelenk.“ Ich
hielt es ihm fast unter die Nase und zwang ihn direkt hinzusehen. „Wenn Sie,
wie ich annehme, Erfinder einer neuartigen, ergonomisch geformten Maus sind,
dann hätten Sie in dieser Bandage das Verkaufsargument par excellence gehabt.
Sie wissen, ich bin Beraterin hier, werde wahrscheinlich viel am PC arbeiten,
die Bandage stabilisiert den Daumen und das Handgelenk, es ist also
wahrscheinlich, dass ich möglicherweise durch die Computerarbeit ein Problem am
Handgelenk habe. Richtig?“ Er nickte. „Dann hätten Sie mir doch einfach nur
sagen müssen, dass Sie mir eine Lösung für mein Handgelenksproblem liefern
könnten – eine neuartige Maus, die hilft, solche Beschwerden zu lindern oder
diese gar nicht erst entstehen zulassen. Richtig?“
Mein Tischnachbar, ebenfalls ein Marketingexperte, hatte
unsere funkelnden Augen gesehen und grinste breit. „Marketingleute können offensichtlich
nur in Lösungen denken“, meinte er leise und ebenfalls grinsend dazu.
Der junge Mann kratze sich erneut am Kopf und verdrehte die
Augen. Einen kleinen Augenblick später erzählte er: „Ist das wirklich so einfach?
Wir sind so in unser Projekt und die Möglichkeiten vertieft, dass wir das Einfachste
und Naheliegendste nicht gesehen haben! Mein Freund, mit dem ich diese neue
Maus entwickelt habe, der trug genau so eine Bandage und dadurch entstand die
Idee zu unserem Produkt. Wir haben das völlig vergessen, WARUM wir das machen!“
„Hätten Sie mich darauf hingewiesen, hätten Sie in mir einen
potentiellen Kunden gehabt“, sagte ich. „Das Problem habe ich noch und sie
könnten mir vielleicht helfen, es zu lösen.“ Er nickte zustimmend und schaute
mich lange an. Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren.
Wir unterhielten uns noch einen Augenblick, warum die Maus
so hilfreich war und nicht so nervig wie die Mäuse in meiner Küche. Ich gab ihm
noch ein paar Tipps für seine Produktkommunikation und dann reichte er mir –
sich wieder am Kopf kratzend - lächelnd die Hand. „Danke.“
„Gern“, entgegnete ich mich ebenfalls für den Spaß bedankend
und grinste weiter, weil mein Kopfkino wieder anlief. „Und ich könnte doch ‘ne
Maus gebrauchen“ meinte ich provozierend. „Wenn ihre fertig ist, bekomm ich
eine von Ihnen für diesen guten Tipp, damit ich meine alten, nervigen Mäuse
vertreiben kann.“ Vor Lachen hatten wir Tränen in den Augen und er meinte: „In
jedem Fall! Ich melde mich!“
Hoffentlich braucht die Produktentwicklung nicht so lange,
dachte ich noch während ich ihm die Hand schüttelte. Wird Zeit, dass meine
alten Mäuse das Haus verlassen.
Tja, Marketing ist nicht nur „böse“ Werbung – Marketing kann
auch hilfreich sein, nämlich immer dann, wenn man Lösungen für bestehende
Probleme anzubieten hat.