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Mittwoch, 30. November 2016

Artikel: Marketing ist helfen



 (c) Gudrun Anders

Gestern Abend war ein Vortragsabend im Rahmen des hiesigen Businessplan-Wettbewerbs, in dem ich auch als Mentorin engagiert bin. Grundwillige und anwesende Berater hörten sich von einer Unternehmensberaterin einen Vortrag zum Thema „USP“ (Alleinstellungsmerkmal) an. Natürlich gab es für die zukünftigen Unternehmer viel Input, der erst einmal verarbeitet werden wollte.


Die Referentin riet u.a. in ihrem Vortrag, Bekannten und Freunden von der Unternehmensidee zu erzählen und die Reaktionen der Befragten für die weitere Entwicklung des Produktes, der Dienstleistung oder der Verkaufsargumentation zu nutzen.

Beim „get together“ nach dem Vortrag kam ein junger Mann an unseren Bistrotisch, an wir Berater gerade einen Snack zu uns nahmen, und fragte mich sehr höflich und freundlich lächelnd, ob er mich etwas fragen könne.

„Sicher“, meinte ich noch kauend, „wenn ich weiteressen darf?“, und grinste zurück.

Er grinste zurück und stammelte: „Ja, also, wir haben da …. ähm …“. Er suchte nach Worten und ich konnte fast sehen, wie er in seinen Gehirnwindungen eine passende Formulierung suchte. „Wir … äh – unser Produkt … nee …  wie war das? … - Hätten Sie an einer Maus Interesse?“

Pixabay - (c) sipa
Ich musste noch mehr grinsen, denn ich plagte mich gerade mit einer Schar Mäusen, die durch noch nicht gefundene Öffnungen es sich in meiner Küche bequem machen und meinem Hund das Trockenfutter weg aßen, der diese nur müde gähnend begutachtete und dann weiter schlief – schließlich füllte ich das Napf mit dem Trockenfutter ja beizeiten wieder auf. 

Vor meinem inneren Auge wurde gerade lebendig, wie ich dem eine weitere Maus hinzufügte. Fast verschluckte ich mich an meinem Brötchen, so absurd kam mir das vor, denn die kleinen, frechen Nager hielten mich oftmals auch in der Nacht wach, wenn sie durch die Holzwände des Bauernhofs, auf dem ich wohne, liefen.

„Bestimmt nicht!“, brachte ich daher heraus und lachte laut los, wobei ich fast die Inhalte meines Mundes quer über den Tisch gespuckt hätte. „Davon hab ich genug!“

„Ja, aber die, die ich habe, ist ergonomisch geformt.“

Das Kino in meinem Kopf nahm jetzt leicht absurde Formen an. „Und was an einer ergonomisch geformten Maus ist besser als an einer normalen Maus?“ 

„Was?“, brachte er hervor und verstand offensichtlich gar nichts, so durcheinander war er. Ich erzählte ihm dann von meinen Mäusen und wir hatten sichtlich Spaß, der auch meine Tischnachbarn ansteckte.
Leicht dämmerte mir allerdings, dass wir ja auf einem Gründerabend waren und der junge Mann vor mir möglicherweise die Computermäuse meinte. Aber ich wollte das spaßige Spiel, das wir offensichtlich beide lustig fanden, noch ein bisschen weiter spielen.

Er kratzte sich am Kopf, griemelte und wusste nicht mehr weiter. Offensichtlich wollte er die Tipps der Referentin umsetzen und befragte mich als Übungsobjekt, wie er sein Produkt besser an den Mann – bzw. in diesem Fall an die Frau – bringen konnte. 

Ich aß mein letztes Stück vom Lachsbrötchen auf, musterte ihn unterdessen und beschloss ihm aus seiner Misere zu helfen.

„Junger Mann“, sagte ich verschmitzt grinsend, „schauen Sie mal auf mein rechtes Handgelenk.“  Ich hielt es ihm fast unter die Nase und zwang ihn direkt hinzusehen. „Wenn Sie, wie ich annehme, Erfinder einer neuartigen, ergonomisch geformten Maus sind, dann hätten Sie in dieser Bandage das Verkaufsargument par excellence gehabt. Sie wissen, ich bin Beraterin hier, werde wahrscheinlich viel am PC arbeiten, die Bandage stabilisiert den Daumen und das Handgelenk, es ist also wahrscheinlich, dass ich möglicherweise durch die Computerarbeit ein Problem am Handgelenk habe. Richtig?“ Er nickte. „Dann hätten Sie mir doch einfach nur sagen müssen, dass Sie mir eine Lösung für mein Handgelenksproblem liefern könnten – eine neuartige Maus, die hilft, solche Beschwerden zu lindern oder diese gar nicht erst entstehen zulassen. Richtig?“

Mein Tischnachbar, ebenfalls ein Marketingexperte, hatte unsere funkelnden Augen gesehen und grinste breit. „Marketingleute können offensichtlich nur in Lösungen denken“, meinte er leise und ebenfalls grinsend dazu.
Der junge Mann kratze sich erneut am Kopf und verdrehte die Augen. Einen kleinen Augenblick später erzählte er: „Ist das wirklich so einfach? Wir sind so in unser Projekt und die Möglichkeiten vertieft, dass wir das Einfachste und Naheliegendste nicht gesehen haben! Mein Freund, mit dem ich diese neue Maus entwickelt habe, der trug genau so eine Bandage und dadurch entstand die Idee zu unserem Produkt. Wir haben das völlig vergessen, WARUM wir das machen!“

„Hätten Sie mich darauf hingewiesen, hätten Sie in mir einen potentiellen Kunden gehabt“, sagte ich. „Das Problem habe ich noch und sie könnten mir vielleicht helfen, es zu lösen.“ Er nickte zustimmend und schaute mich lange an. Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren.

Wir unterhielten uns noch einen Augenblick, warum die Maus so hilfreich war und nicht so nervig wie die Mäuse in meiner Küche. Ich gab ihm noch ein paar Tipps für seine Produktkommunikation und dann reichte er mir – sich wieder am Kopf kratzend - lächelnd die Hand. „Danke.“

„Gern“, entgegnete ich mich ebenfalls für den Spaß bedankend und grinste weiter, weil mein Kopfkino wieder anlief. „Und ich könnte doch ‘ne Maus gebrauchen“ meinte ich provozierend. „Wenn ihre fertig ist, bekomm ich eine von Ihnen für diesen guten Tipp, damit ich meine alten, nervigen Mäuse vertreiben kann.“ Vor Lachen hatten wir Tränen in den Augen und er meinte: „In jedem Fall! Ich melde mich!“ 

Hoffentlich braucht die Produktentwicklung nicht so lange, dachte ich noch während ich ihm die Hand schüttelte. Wird Zeit, dass meine alten Mäuse das Haus verlassen.

Tja, Marketing ist nicht nur „böse“ Werbung – Marketing kann auch hilfreich sein, nämlich immer dann, wenn man Lösungen für bestehende Probleme anzubieten hat.


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