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Ich hasse diese mega-positiven Online-Marketers, die mit aufgesetzten, unechten Sprüchen tschakkatschakka einen auf supersmart machen und wertvolle Lebenszeit rauben! Eben rief wieder so einer an. …
Das Telefon klingelt und ich gehe ran: „Anders.“
„Hallo, spreche ich mit Gudrun?“
Die Stimme war sehr jung, kam mir unbekannt vor und duzte
mich. Mein innerer Alarm für supermotivierte Vertriebspartner war angeschaltet.
„Ja, wer bist du?“
„Hallo, das ist ja super, dass ich dich sofort zu fassen
bekomme!! Wie geht’s dir???“
„Gut, danke.“
Die Stimme, wieder hochmotiviert. Wahrscheinlich strahlte er
gewollt von einer Backe zur nächsten. „Ach, das ist ja wunderschön! Du bist
also heute mit dem richtigen Bein aufgestanden und kannst diesen wundervollen
Sonnentag genießen?“ Es waren tatsächlich die Backen, nicht die Wangen …
„Ja, komm‘ doch mal zum Punkt… Was möchtest du von mir?“ Ich
versuchte freundlich zu bleiben, um herauszufinden, was der junge Mann mir
anbieten wollte. Manchmal ist es ja gar nicht soo schlecht, weiter zuzuhören.
Verpasste Chancen kommen ja bekanntlich nicht wieder.
Ich vernahm ein kurzes Stutzen in der Leitung,
offensichtlich hatte ich ihn mit meiner Gegenfrage etwas aus dem Konzept
gebracht. „Äh, ja … Hallo, Gudrun, ja, also, ich rufe an von ….. Du hast
letztens das Buch …. von …. gekauft. Hat es dir gefallen?“
„Ja.“ Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich hatte das Buch
bestellt, die ersten 10 oder 15 Seiten gelesen und festgestellt, dass der
überaus reißerische Titel weitaus mehr versprach als der Inhalt. Ein Studienabbrecher
hatte eine Marktlücke im Internet entdeckt, sich selbständig gemacht und mit E-Books
und anderen Onlinegeschäften sehr viel Geld in kurzer Zeit verdient. Mich hatte
die Geschichte aufgrund meines Berufes als Autorenberaterin schon interessiert.
„Na, das ist ja wundervoll. Hast du denn jetzt schon ein Buch
geschrieben?“
„Ja, etwa dreißig.“
Er ließ sich von der Kürze meiner Antworten nicht
beeindrucken und fragte weiter: „Und wie hast du die vermarktet?“
„Im Internet“, antwortete ich wahrheitsgetreu, aber kurz
angebunden.
„Und wie viele hast du verkauft?“
Was bitte geht das einen unbekannten Menschen an, wie viele
Bücher ich verkauft habe? Ich antwortete also – mittlerweile leicht genervt: „Genug.“
Ich war gespannt, was als nächstes kam …
„Also, Gudrun, erfahrungsgemäß haben die Leute, die sagen ‚genug‘,
nicht genug Bücher verkauft. Ich würde dir da unser kostengünstiges Coaching
anbieten, damit du mal mehr verkaufst als bisher.“
Das reichte jetzt nun wirklich. Ich hatte keine Lust mehr
auf dieses sinnlose Gespräch und konterte, um einigermaßen Freundlichkeit
bemüht: „Ich bin seit mehr als 30 Jahren in der Buchbranche tätig und weiß
ziemlich genau, was ich zu tun habe und was nicht. Und es geht dich nichts an,
wie viele Bücher ich verkaufe oder nicht. Danke, ich möchte dein Coaching nicht
und streiche mich bitte mit sofortiger Wirkung aus deiner Anrufliste und dem
Verteiler.“
„Warum denn gleich so unfreund…“ hörte ich noch, dann hatte
ich aufgelegt und schüttelte den Kopf. Mal sehen, wann der nächste geschulte
Vertriebspartner von dieser Millionen machenden superdruper Firma anruft …
Und die Moral von der Geschichte?
Klar kann man mit E-Books, Internetmarketing und einem guten
Vertriebsteam sehr viel erreichen und wahrscheinlich auch Millionenumsätze
generieren, aber es gehört immer noch Arbeit dazu. Und wenn schon trainierte
Telefonverkäufer anrufen, dann doch bitte keine gedrillten Jungverkäufer mit auswendig
gelernten und wahrscheinlich abgelesenen Phrasen, sondern echtes Interesse an
Menschen und deren Vorankommen. Wir an der anderen Seite der Leitung sind doch
keine Idioten oder Menschen zweiter Klasse, weil wir ein Buch von einem
(angeblichen) Bestseller-Autor bestellt haben. Mir erweckt sich der Eindruck,
dass mehr nach den eigenen Umsätzen geschaut wird, statt wahre Hilfe
anzubieten. Und das entspricht ganz und gar nicht meinen Vorstellungen, weder
als Berater noch als Mensch.
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(c) Gudrun Anders, Aachen www.gudrun-anders.de
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