Warum ist es nicht so einfach "einfach zu sein"?
(c) Gudrun Anders
Aber manchmal machen wir uns das „einfach sein“ auch selbst schwierig.
Immer mehr haben wollen, immer besser sein zu müssen, immer mehr erreichen zu wollen, immer höher hinaus zu wollen, sind mächtige Triebfedern, die das „einfach sein“ im Sinne von „einfach da sein, egal, was gerade ist“, in den Hintergrund und in Vergessenheit geraten lassen.
Ich habe
mehrere Erfahrungen mit „einfach sein“ gemacht. Beispielsweise, als ich mit und
bei den Beduinen in einfachen Bambushütten lebte. Direkt am Roten Meer, keine
Schlösser vor den Türen, nur einfache Matratzen auf dem Boden, kein
Kleiderschrank. Zwei Töpfe und ein Wasserkessel reichten zum Kochen. Gegessen
wurde frisch gefangener Fisch und ein bisschen Reis und Gemüse. Sitzen, reden,
das Meer und die Delphine beobachten, ein wenig am Strand spazieren. Anderen
beim Schreiben lernen helfen und die Zeit gegen Naturalien eintauschen.
Es hat eine
Zeit gedauert, bis mein Verstand dazu ja sagte, aber als er es endlich tat, war
es wie eine Befreiung von unendlicher Last. Die Last des Besitzes, die Last des
„ich muss“ und vor allem die erdrückende Last des „So lebt man doch nicht! Das
ist doch nicht zivilisiert!“
Aus der
Sicht der am Meer in einem Beduinenbungalow (Palmenhütte) sitzenden Gudrun sehe
ich, dass wir als Menschheit in eine verkehrte Richtung gehen. Für zwei
Personen sind keine 150 qm nötig. Wir müssen nicht im 200-Menschen-Privatjet
allein um die Erde fliegen. Wir brauchen keine Lebensmittel wegwerfen, die noch
essbar sind und unsere uneingeschweißte Salatgurke ist mit etwas Wasser
abwaschbar.
Es gibt
Tausende Beispiele, die uns als Menschheit helfen würden, einfacher zu sein,
damit wir „einfach sein“ können. Aber für unsere Vorstellung, den Verstand oder
das Ego, ist das oft unmöglich. Einfach sein bringt oft depressive Gedanken in
uns hervor, die nicht greifbare Leere des „einfach da sein ohne zu denken und
zu wollen“ wirkt für uns extrem bedrohlich, weil ein Verlust unserer
Identifikation droht, die aus dem Haben von Sachen zu bestehen scheint.
Die Wahrheit
ist, dass wir, dass genau diese Dinge uns erst in die Depression führen, denn
sie schaffen es, dass wir das „einfach sein“ vergessen, verdrängen und
verleugnen. Im Moment der sanften Erinnerung an „ein anderes Sein“ fangen wir
an nachzudenken, zu grübeln, den Sinn des Lebens zu hinterfragen – und werden
unruhig, irritiert, verwirrt, orientierungslos und depressiv. Wir haben nicht
gelernt „einfach nur so da zu sein“. Und okay zu sein mit dem, was und wer und
wie wir sind.
Einfach sein und einfach sein wäre alles, was wir brauchen.
------------ (c) Gudrun Anders, www.gudrun-anders.de ------------------------